Finanziell flexibel mit der richtigen Baufinanzierung

Wechsel der Tilgungsrate während der Kreditlaufzeit, hohe Sondertilgungen – neue Baufinanzierungsangebote der Banken geben  Immobilienkäufern die Möglichkeit, schneller von ihren Schulden runterzukommen.  Dabei sind die Modelle aber so flexibel, dass unvorhergesehene finanzielle Engpässe nicht zum Drama werden. Und sie sparen viel Geld, wenn die Immobilie vorzeitig verkauft werden muss.

Für Immobilienkäufer, die ihr Haus oder ihre Wohnung selber nutzen wollen, gilt immer noch eine eiserne Regel: So viel und so schnell wie möglich tilgen, denn dann ist die Finanzierung unter dem Strich am günstigsten. Besonders gilt das in Zeiten wie diesen: Wenn die Zinsen extrem niedrig sind, dauert die klassische Finanzierung mit einem Prozent Tilgung rund 40 Jahre. Viel zu lange, viel zu teuer.

Eine Tilgungsrate von zwei, drei, vier oder mehr Prozent sorgt dafür, dass die Schulden erheblich schneller zusammenschmelzen. Aber gerade während der Bauphase  ist das Geld knapp, eine zu hohe Tilgung ein Korsett, das dem Immobilienkäufer die Luft nimmt.  Wäre also schön, wenn man die Tilgungsrate anpassen könnte. Nach oben setzen, wenn das Einkommen steigt, oder senken, wenn ein Verdiener ausfällt – was ja vorkommt, wenn sich Nachwuchs ankündigt. „Noch vor Jahren haben die Bänker solche Wünsche nach flexiblen Finanzierungsformen als eine Zumutung angesehen“, sagt Arno Gottschalk, Finanzierungsexperte der Verbraucherberatung Bremen. „Das hat sich zum Glück geändert. Möglichkeiten zur Sondertilgung oder wie neuerdings die Anpassung der Tilgungsrate geben dem Kunden zusätzlichen Spielraum.“

Beispiel Tilgungsrate: Etliche Bank bieten inzwischen während der Kreditlaufzeit die Chance, den Tilgungssatz anzupassen. Je nach Geldhaus wird dafür aber ein Aufschlag auf den Zins fällig. Kostenlos, und zwar für bis zu drei Wechsel, ist das aber zum Beispiel bei der Victoria Versicherung,  der Hannoverschen Leben oder der ING-Diba. Häufigere Wechseloptionen bieten indes nur wenige Banken, und dann auch nicht mehr kostenlos – so kostet jeder weitere Tilgungswechsel bei der ING-Diba pauschal 100 Euro. 

Eine andere Möglichkeit, flexibel das Darlehen zu bedienen, sind Sondertilgungen. „Inzwischen sind jährliche Sondertilgungen von fünf bis zehn Prozent der Darlehenssumme die Regel und kostenlos“, sagt Experte Gottschalk: „Wenn eine Bank für Sondertilgungsrechte einen Zinsaufschlag verlangt, dann ist das ein klares Signal, dass es sich um kein gutes Angebot handelt.“

Während beim Gros der Verträge die jährliche Sondertilgung begrenzt ist, bieten Münchner Hypothekenbank oder Hannoversche Leben weit höhere Flexibilität. Das Angebot der Bayern nennt sich „Münchner Freiheit“ und erlaubt ab dem dritten Finanzierungsjahr die freie Wahl der Sondertilgung – theoretisch also auch die komplette Ablösung der Schulden, ohne dass Strafzinsen (Vorfälligkeitsentschädigung) fällig werden. Auch die „Flexhypothek“ der Hannoverschen Leben erlaubt diese Kompletttilgung. Nachteil bei beiden Angeboten: Der Zinssatz liegt rund 0,3 Prozentpunkte über den konventionellen Darlehen der beiden Anbieter. Interessant trotzdem für Immobilienkäufer, die mit einer höheren Zahlung aus einer Geldanlage planen können, die erben oder über stark schwankende Einkommen verfügen.

Alternative, vor allem dann, wenn der Eingang einer hohen Summe fest eingeplant werden kann und es deutlich günstigere Kreditangebote auf dem Markt gibt: „Einen Teil der Finanzierung mit variablem Zins abschließen, denn ein solches Darlehen kann jederzeit zurückbezahlt werden“, rät Gottschalk.

Das Recht auf Sondertilgung spart dem Baufinanzierer aber auch viel Geld, wenn das Leben nicht nach Plan läuft: Fast jede zweite Ehe wird geschieden, ein Jobwechsel kann einen Umzug erfordern. „Muss das Haus verkauft werden und die Finanzierung vorzeitig gekündigt, berechnet die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung. Dabei muss die Bank aber theoretisch mögliche Sondertilgungen oder auch angepasste Tilgungsquoten berücksichtigen.“ Sprich: Die Vorfälligkeitsentschädigung fällt erheblich niedriger aus. Aber Achtung: „Manche Banken bauen in ihre Verträge Klauseln ein, die eine solche Anrechnung ausschließen“, sagt Gottschalk. 

Ebenfalls viel Flexibilität bietet die so genannte reversible Sondertilgung, die allerdings nur vereinzelt angeboten wird, etwa von der Münchner Hypothekenbank.  Sie erhält trotz – möglicherweise hoher – Sondertilgungen finanziellen Spielraum. Fällt etwa eine teure Reparatur am Haus an, kann sich der Kunde alle bislang geleisteten Sondertilgungen wieder auszahlen lassen. Das erspart ihm den Abschluss eines neuen Kredits zu ungünstigeren Konditionen. 

Wer sich bereits jetzt die günstigen aktuellen Zinsen sichern will, aber erst in ein oder zwei Jahren einen Baukredit braucht, kann dies mit einem so genannten Forward-Darlehen tun. Die waren bislang schon üblich für die Anschlussfinanzierung nach Ende der ersten Zinsbindung, werden nun aber, etwa von der Universa-Versicherung, auch für die Erstfinanzierung angeboten. Interessant ist das, wenn der Bau schon in Planung ist, die Realisierung aber erst in ein oder zwei Jahren beginnt. 

„Besonders interessant ist ein Forwarddarlehen, wenn es die Möglichkeit zur vollständigen Rückzahlung bietet“, sagt Finanzexperte Gottschalk. So kann sich der Kunde die günstigen Zinsen von heute sichern – und wenn die Zinsen in ein oder zwei Jahren tatsächlich noch einmal sinken, ohne Kosten die besseren Angebote wahrnehmen.  

Um es mit der Werbung eines Kreditkartenunternehmens zu sagen: Die Freiheit nehm’ ich mir.

Lohnen sich die höheren Kosten?

Zinsaufschläge oder eine teurere Bank im Gegenzug für höhere Sondertilgungen oder variable Tilgungsquoten lohnen sich nur dann, wenn man diese Flexibilität auch tatsächlich nutzen kann. „Man sollte realistisch kalkulieren, ob man zum Beispiel Sondertilgungen aufbringen kann“, rät Experte Gottschalk. „Viele Sondertilgungsmöglichkeiten werden überhaupt nicht genutzt.“ Wer sich statt Sonderleistungen einfach für das günstigere Bankangebot entscheidet, spart schließlich auch Geld. Faustregel: 0,1 Prozentpunkt Zinsunterschied pro 100.000 Euro Kredit in zehn Jahren rund tausend gesparte Euro.

Schneller tilgen, weniger zahlen

Wer mit einem Prozent tilgt, bindet sich bis ins Rentenalter: Die Laufzeit des Darlehens beträgt voraussichtlich rund 40 Jahre. Vor allem ist nach Ablauf der ersten Zinsbindung (zum Beispiel zehn Jahre) die Restschuld noch so hoch, dass eine Zinserhöhung dann zu einer erheblichen Mehrbelastung führt. Beispiel: Ein Darlehen von 200.000 Euro, Zins 4,1 Prozent. 

Mit einem Prozent Tilgung zahlt der Bauherr im Monat 850 Euro an die Bank, nach zehn Jahren liegt die Restschuld noch bei 175.300Euro. Verdoppelt er die Tilgungsquote, zahlt er pro Monat rund 1017 Euro, hat dafür aber auch nach zehn Jahren nur noch rund 150.600 Euro Schulden. Mit vier Prozent Tilgung schmelzen die Schulden auf rund die Hälfte des Kreditbetrags (101.300 Euro), dafür muss er aber auch eine monatliche Rate von 1350 Euro stemmen. Ist aber, wenn die Zinskonditionen gleich bleiben, nach insgesamt gut 17 Jahren schuldenfrei.

Seine Schulden halbieren kann er aber auch mit Sondertilgungen: Zahlt er neun Jahre lang jedes Mal im März 6700 Euro in seine Finanzierung ein, liegen die Schulden nach zehn Jahren bei 100.900 Euro. Das heißt: Die insgesamt eingezahlten 60.300 Euro Sondertilgung haben durch gesparte Zinsen einen Vorteil von weiteren 15.100 Euro gebracht im Vergleich zur klassischen Einprozent-Tilgung.