Werde reich, überweise jetzt! Der Kettenbrief-Wahnsinn

Kennen Sie das noch, aus der Schule damals? Dieses miese Gefühl, wenn man den Kettenbrief nicht weitergeschickt hatte und ins Bett ging mit dem Gedanken, dass sich über Nacht die Erde auftun und man den anderen Morgen nie erleben würde.  Wir haben alle überlebt, aber Kettenbriefe sind mal wieder schwer angesagt. Aber selbstverständlich geht es nicht um Glück oder Freunde oder Liebe. Es geht um Geld. Um viel Geld.

Rene meint es gut mit mir. „Auf einmal war erschreckend viel Geld auf meinem Paypal Konto“ hat er in den Betreff getippt, und in dicken, fetten Lettern wiederholt er diese Botschaft in der Mail: „Ich war platt, als  ich sah, wie viel Geld sich auf meinem  PayPal-Konto angesammelt hatte!“ Das macht neugierig, ebenso wie die Aussage: „Ein ganz legaler Verdienst!“ (obwohl das ja eigentlich heißt: so ganz legal ist das nicht). Aus 10 Euro hat er innerhalb von 30 Tagen 32500 Euro gemacht, schreibt Rene, dessen Mail-Namen allerdings Coby ist und dessen Freemail-Postfach ausweislich der Endung „.ai“ auf dem  für Offshore-Bankgeschäfte berühmt-berüchtigten Karibik-Eiland Anguilla zu Hause ist. 

Nicht nur einmal, nein immer wieder hat Rene reiche Ernte eingefahren, und das rechnet er ganz korrekt vor: 492.718 Euro sind es summasumarum, er fährt inzwischen nicht nur einen nigelnagelneuen Audi A8, sondern hat auch ein neues Einfamilienhaus, und sein Buchhalter sagt: Bald ist er Millionär. Ist er sicher, wenn er genügend Dumme findet, die ihre 10 Euro an die in einer Übersicht genannten Personen überweisen. Wer überweist, darf seinen eigenen Namen eintragen und erhält irgendwann, wenn er ganz nach oben in der Liste gerückt ist, den großen Geldsegen. 

In der Theorie hört sich das sehr hübsch an, allerdings funktionieren die meisten Systeme nur kurze Zeit, was den Initiatoren reicht, abzusahnen. Denn allein aus mathematischen Gründen muss sich ein solches System schnell totlaufen, wenn es nicht gelingt, ganz Deutschland zum Mitspielen zu überreden. Die meisten Menschen dürften zumindest ahnen, dass sie Gefahr laufen, ihr Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Abschrecken lassen sich die wenigsten davon. So steigen nach Aussagen von Sicherheitsexperten 75 Prozent aller angeschriebenen oder angesprochenen Menschen tatsächlich in solche Spiele ein. Knapp 88 Prozent davon, also weitaus die meisten, verlieren ihr Geld.  Eigentlich unglaublich. Aber vermutlich fährt Rene tatsächlich einen Audi A8. Immer nach dem Motto: Ihr Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer. In dem Fall Rene. Oder Coby.